Teilweise Erwerbsminderung
Teilweise erwerbsgemindert sind Sie, wenn Sie wegen
- einer Erkrankung oder einer Behinderung
- auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage sind
- unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts
- mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Wenn Sie noch zwischen sechs und acht Stunden täglich arbeiten können, sind Sie nicht erwerbsgemindert. Nach aktuellem Recht spielt es keine Rolle mehr, welchen Beruf Sie mal gelernt haben bzw. aktuell ausüben. Es geht lediglich darum, ob Sie irgendeine Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben können oder nicht. Hierzu gehören alle denkbaren und auch einfachste Tätigkeiten.
Ausnahmen gelten nur noch für diejenigen, die vor dem 2.1.1961 geboren wurden.
Ausnahmeregelung:
Erwerbsminderungsrente auch bei Restarbeitsfähigkeit von sechs Stunden In Ausnahmefällen können Sie eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, auch wenn Sie sechs Stunden oder mehr pro Tag erwerbsfähig sind. Das kann z.B. dann gelten, wenn Sie aufgrund Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage sind, täglich den Weg zu Ihrem Arbeitsplatz zurückzulegen. Das kann dann der Fall sein, wenn Sie nicht mehr viermal am Tag 500 Meter in jeweils maximal 20 Minuten zurücklegen können. In diesem Fall liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ggf. keine Wegefähigkeit mehr vor. Dabei müssen allerdings alle infrage kommenden Hilfsmittel (etwa Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten berücksichtigt werden
(Urteil vom 17.12.1991, Az. 13/5 RJ 73/90).
Wenn in diesem Fall der Arbeitsmarkt für Sie als verschlossen gilt, steht Ihnen ggf. sogar eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu.
Ausnahmeregelung:
Auch bei häufiger Arbeitsunfähigkeit Erwerbsminderungsrente möglich Nicht ganz selten sind gerade chronisch kranke ältere Arbeitnehmer in der Situation, dass sie zwar im Grundsatz theoretisch vollschichtig arbeiten könnten, aber de facto wegen häufig auftretender Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage sind, ihre Tätigkeit auszuführen. In solchen Fällen kann unter Umständen ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bestehen.
Die Vorlage hatte das BSG am 31.10.2012 gegeben (Az. B 13 R 107/12 B).
Danach kann das Risiko einer häufigen Arbeitsunfähigkeit dann zu einer Erwerbsminderung führen, wenn feststeht, dass die Arbeitsunfähigkeit so häufig auftritt, dass die während eines Arbeitsjahrs zu erbringenden Arbeitsleistungen nicht mehr den Mindestanforderungen entsprechen, die ein vernünftig und billigdenkender Arbeitgeber zu stellen berechtigt ist. Wann diese Grenze erreicht ist, hat das BSG aber nicht klar definiert. Klar ist für das oberste deutsche Sozialgericht jedoch, dass die Mindestanforderungen, die ein Arbeitgeber berechtigt stellen kann, nicht mehr erfüllt werden, wenn der Versicherte die Arbeitsleistung für einen Zeitraum von mehr als 26 Wochen im Jahr gesundheitsbedingt nicht mehr erbringen kann.
Ob ggf. auch 20, 23 oder 25 Wochen zu erwartender Arbeitsunfähigkeit reichen, hat das BSG nicht gesagt. Allerdings hat das Gericht als Regel aufgestellt: Wenn eine extrem häufige Arbeitsunfähigkeit prognostiziert werden kann, müsse dem Betroffenen eine konkrete andere Tätigkeit (Verweisungstätigkeit) benannt werden, die er ausüben könne. Gelinge das nicht – das ist praktisch die Regel –, sei er trotz vollschichtigen Leistungsvermögens erwerbsgemindert. Wer wegen einer chronischen Krankheit etwa die Hälfte des Jahres arbeitsunfähig ist, für den kann sich ein Antrag auf Erwerbsminderungsrente lohnen – und für den Fall, dass der Antrag abgelehnt wird, das Einlegen von Widerspruch und Klage.
Volle Erwerbsminderung
Voll erwerbsgemindert sind Sie, wenn Sie wegen
- einer Erkrankung oder einer Behinderung
- auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage sind
- unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts
- mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
So weit, so einfach. Doch das Rentenrecht ist u.a. deshalb so kompliziert, weil es noch viele Übergangs- und Vertrauensschutzregelungen kennt.
Eine dieser Vertrauensschutzregelungen könnte Ihnen aber zum Vorteil gereichen, wie der folgende Abschnitt zeigt.
Teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
Wenn Sie
- vor dem 2.1.1961 geboren sind und
- berufsunfähig sind, sind Sie teilweise erwerbsgemindert.
Obwohl die Berufsunfähigkeitsrenten abgeschafft sind, prüft die Deutsche Rentenversicherung, ob Sie – wenn es das Gesetz heute noch geben würde – berufsunfähig wären. Ist das der Fall, erhalten Sie eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung – nicht etwa eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Für sich selbst kommt bei älteren Arbeitnehmern der Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung meist nicht mehr infrage, insbesondere wenn Vorerkrankungen vorliegen, die vom Versicherungsrisiko ausgeschlossen werden. Je älter Sie bei Vertragsabschluss sind, desto teurer wird es außerdem. Für Ihre Kinder oder Enkel sollten Sie aber den Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung ab dem 16. Geburtstag erwägen.
Die Wahrscheinlichkeit, von Berufsunfähigkeit betroffen zu sein, liegt bei 1:4.
Definition Berufsunfähigkeit
Sie sind berufsunfähig, wenn Sie
- wegen Krankheit oder Behinderung
- im Vergleich zu anderen Menschen Ihres Berufs
- weniger als sechs Stunden täglich, arbeiten können.
Hier spielt also Ihre berufliche Ausbildung und Ihre aktuelle Berufstätigkeit wieder eine Rolle. Diese Prüfung ist einfach, wenn Sie einen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf vorweisen können, in diesem immer gearbeitet haben und dann erkranken (z.B. Bäcker mit Mehlallergie). Die Prüfung wird kompliziert – und ist dann meist ein Fall für das Sozialgericht –, wenn Sie in Ihrem Berufsleben keine oder mehrere Ausbildungen gemacht haben. Dass Sie in Ihrem Beruf nicht mehr sechs Stunden oder länger täglich arbeiten können, müssen Sie selbst belegen. In der nächsten Stufe liegt der Ball bei der Rentenversicherung. Diese kann Sie auf einen Beruf verweisen (Verweisungsberuf), der Ihrem Beruf zumindest annähernd gleichwertig ist. Der Versicherer muss dann darlegen, dass Sie diesen Beruf nach den festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben können. Der Verweisungsberuf muss allerdings arbeitsmarktgängig sein.
Arbeitsmarktrente
Nun gibt es natürlich Fälle, in denen Versicherte zwar teilweise erwerbsgemindert sind (also nur noch zwischen drei und unter sechs Stunden erwerbsfähig sind), aber keinerlei Teilzeitbeschäftigung finden können, die ihrer Restarbeitsfähigkeit entspricht. In diesen Fällen sind die Betroffenen arbeitslos und müssen sich der Arbeitsvermittlung der Arbeitsagenturen zur Verfügung stellen. Wenn ihnen kein passender Teilzeitarbeitsplatz vermittelt werden kann, muss ihnen eine volle Erwerbsminderungsrente gewährt werden. Ausschlaggebend dafür ist die sogenannte konkrete Betrachtungsweise, die das Bundessozialgericht in einem Urteil aus dem Jahr 1976 entwickelt hat.
Eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten auch teilweise Erwerbsgeminderte, die ihr Restleistungsvermögen wegen eines verschlossenen Arbeitsmarkts nicht in Erwerbseinkommen umsetzen können. Hinweis: Die Arbeitsmarktrente ist zahlenmäßig keineswegs unbedeutend. Nahezu jeder siebte Neuzugang in eine Erwerbsminderungsrente gehört in diese Kategorie. Wir begleiten Sie auch bei der Durchsetzung dieses Anspruchs.